Zu-frieden

Habt ihr euch schon ein mal gefragt, was der Frieden mit dem Wort zufrieden zu tun hat?
An einem Dienstag, an dem sich der April nicht entscheiden konnte, ob er nass oder sonnig sein wollte, lief ich auf dem Heimweg geradewegs der Sonne entgegen, als mir dieser Gedanke in den Kopf schoss. 

Frieden? Was bedeutet das eigentlich? In der Schule und auch später in der Universität lehrte man mich, das Frieden nichts mehr als die Abwesenheit von Krieg sein. Punkt. Das, muss ich sagen, machte mich damals schon unzufrieden. Denn ich persönlich, da ich nie unter Krieg gelitten habe (und dem lieben Gott dafür von Herzen danke), kann mir weder unter dem einen noch dem anderen Zustand etwas vorstellen. Für mich ist es geradezu normal, frei von Leid und Mangel, selbstbestimmt in Tun und Haben zu sein. Obwohl mir natürlich schon lange bewusst ist, dass dieser Zustand das Gegenteil von selbstverständlich ist. Und dennoch ist es meine Normalität, ja die Realität in der ich lebe.
Natürlich kommt die Definition von Frieden aus einem Kontext, der mit dem Zustand der Zufriedenheit nur sehr wenig zu tun hat. Denn zufrieden, so meine ich, kann man in der Politik wohl nie so richtig sein. Das Wesen der Politik besteht darin, Konflikte zu lösen. Und ist ein solcher auch nur im Ansatz einer Lösung gedacht, taucht schon der Nächste auf. Und so geht es immer weiter. Immer wieder auf’s Neue. Ich denke genau dieser Charakter des Politischen ist es, den die meisten Menschen in ihrem Zynismus und ihrem Verdruss vernachlässigen. Denn Politik ist ein Prozess und kein Zustand. Es liegt in der Natur des Menschen, Konflikte zu erzeugen, sie zu erkennen und sie lösen zu wollen. Ob es uns wirklich gelingt, erfahren wir meist erst in den Konsequenzen unseres Handelns. Klar ist jedoch: Konflikte sind Teil unseres Seins. Weil es unmöglich ist, jedes Individuum unserer Gesellschaft, unserer Rasse, unserer Spezies zufrieden zu stellen. Doch woran liegt das? Wann sind wir eigentlich


zufrieden? 

Ich glaube, dass jeder Mensch zufrieden sein kann. Egal, was er möchte, hat oder tut. Denn meine Definition von Zu-frieden ist eine Andere, als die, die wir kennen. Vielmehr bedeutet Zufriedenheit für mich, Frieden mit sich selbst schließen zu können. Dabei ist die Gabe der Selbstreflexion wohl unabdingbar. Denn nur, wenn ich begreifen kann, wer ich bin, was ich habe und kann, kann ich wirklich formulieren, was ich will – und so auch, was mich zufrieden stellt. Das ist natürlich nicht alles. Denn um Frieden mit sich selbst zu schließen, müssen wir auch Frieden mit unserer Umwelt schließen. Und dies erfordert gleichwohl einen offenen Geist. Wir sind soziale Wesen, die uns nun einmal nicht alleine in der Welt begreifen. Wir bewegen uns jederzeit in einem Kontext aus Menschen und Dingen, die uns umgeben und natürlich auch beeinflussen. Aber egal, wie schlimm oder schwierig die Dinge in unserem Leben gerade stehen, ich bin davon überzeugt, dass wir auch (und vielleicht vor allem) im größten Chaos Frieden mit uns schließen können. Weil wir uns auf das Wesentliche besinnen. Weil wir begreifen, dass es ein Geschenk ist zu sein. Egal wie wir dieses Sein gestalten.

Egal ob wir 10 oder 50 Tage im Jahr Urlaub haben, egal wie oft die Sonne scheint oder es regnet, egal wie viele Menschen uns lieben und wie viele uns hassen, wir dürfen leben. Wir dürfen das Leben er-leben. Und dabei ist es vollkommen egal, wie wir unser Leben gestalten, es besteht jederzeit die Möglichkeit zufrieden zu sein. Egal, wie viel Schlechtes uns widerfährt, wie viele Herausforderungen auf uns warten, wir alle schreiben unser eigenes Schicksal. Indem wir Herausforderungen annehmen und schlechte Tage überwinden. Jeden Tagen bekommen wir eine neue Chance. Eine neue Möglichkeit  Frieden mit uns und der Welt zu schließen. Eine neue Chance zufrieden zu sein und damit auch: Frieden in die Welt zu tragen.

Wieso nutzen wir diese Chance eigentlich nicht öfter?

Kommentar schreiben

Kommentare: 0